Seriously mad but quite normal: Eine Erklärung

21. Oktober 2012

Eine Erklärung



Überall, wo ein Dichter Lob und Tadel erntet, wo er Wirkung tut oder verlacht wird, wo man ihn liebt oder ihn verwirft, überall spricht man nicht von seinen Gedanken und Träumen selbst, sondern nur von dem Hundertstel, das durch den engen Kanal der Sprache und den nicht weiteren Kanal des Leserverständnisses dringen konnte.

von Hermann Hesse (1877 - 1962), 
deutsch-schweizer Schriftsteller und Maler,
Literatur-Nobelpreis 1946


Ich bin überzeugt, dass das nicht nur für den Dichter oder Schriftsteller gilt, sondern ein generelles Symptom all unserer Kommunikation ist. Wir können allein über die Sprache niemals alles zum Ausdruck bringen, genau so wenig, wie wir durch Sprache zu einem wirklich umfassenden Verständnis gelangen können. Die Defizite liegen also auf beiden Seiten, sodass wir einander deswegen auch keine Vorwürfe machen sollten. Könnte es nicht, wenn wir nicht verstanden werden, an unserer Ausdrucksfähigkeit scheitern? Könnte nicht, wenn wir nicht verstehen, an den Beschränkungen unserer Verständnisfähigkeit liegen? Ich sehe darin eine Mahnung, eine Aufforderung, eine Aufgabe, die mich verpflichtet, mit allem Nachdruck sowohl an meinen Ausdrucksmöglichkeiten, als auch an meiner Befähigung, verstehen zu wollen und zu können, zu arbeiten. Je mehr wir uns als Menschen darum bemühen, umso näher werden wir einander kommen. Das allein könnte dazu führen, dass es in unserer Welt künftig weniger Missverständnisse, weniger Konfrontation, weniger Hass und weniger Kriege geben würde. Das zeigt aber zugleich, dass jeder, der obwohl er versteht, all diese Kennzeichen unserer Zeit (und aller Zeiten) weiter schürt, ein Verbrecher ist, den wir ohne Nachsicht bekämpfen sollten. Ihm nicht nach dem Leben trachten, - das machte uns selbst zu Gesetzlosen - sondern ihm das Handwerk legen, indem wir anderen Klarheit über sein Wirken und Wollen verschaffen, indem wir zu erweitertem Verstehen beitragen, auch wenn das wieder (s.o.) eine Herausforderung für unsere Ausdrucksfähigkeit darstellt.


© drago

3 Kommentare:

  1. Hallo Drago,

    deinen Gedanken über die Sprache schließe ich mich vollumfänglich an.

    Die Philosophen und Denker sahen sie ebenfalls als Erkenntnisverschleierer. Ich glaube, sie hatten damit Recht.

    Die Wörter ziehen einen Schleier über die Dinge, die es zu sagen gilt, leider.

    Liebe Grüße,
    Fee

    PS: Ich glaube, dass du mit deinen Texten nah an die Wahrheit kommst...
    ... und deshalb schließe ich mich deinem Follower-Heer an ;)


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  2. Danke, Fee!

    Aber ich glaube, dass nicht Worte die Dinge verschleiern, sondern Menschen Worte verschleiernd missbrauchen. Und der Rest geht eben auf das Konto unseres mangelhaften Begriffsvermögens. Sprache ist sowieso ein Geheimnis. Ich möchte jedoch soviel als möglich davon erfahren. In der Sprache, in den Worten, hinter den Worten, zwischen den Zeilen und in mir selbst will ich entdecken und erforschen.

    P.S.: Ich erlaube mir ebenfalls, Dir zu folgen :-)

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  3. Lieber Drago,

    hast du Interesse deinen unsterblichen poetischen Niederschlag im Kreis der bösen Dichter zu verewigen?


    Herzlichste Grüße!


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