Seriously mad but quite normal: Untermieter

18. Oktober 2012

Untermieter



Als Du gingst,
nahm auch das Glück Abschied.
Und sofort fragte der Schmerz,
ob hier eine Wohnung frei wäre.
Er wollte eine WG gründen;
Trauer und Tränen hatten ihm
ihren Einzug fest zugesagt.

Es ist schon seltsam:
Wir schenken den von uns
geliebten Menschen
so selten unser Herz komplett.
Und wenn,
dann meist nur auf Zeit.

Am Anfang
ist das so heiß geliebte Wesen
unser Ein und Alles.
Wir übereignen ihm unser Innerstes.
Es bekommt alle Liebe,
unsere ganze Aufmerksamkeit,
alle Zuwendung,
derer wir fähig sind.
Wir teilen mit ihm
unser ganzes Glück.

Doch nach einiger Zeit
nisten sich Untermieter ein:

Da macht sich zuerst
- ganz langsam -
die Gewöhnung breit,
die schließlich irgendwann
Gewohnheiten mit nach Hause bringt.
Später zieht dann auch noch die
Langeweile ein.
Und nach und nach
bekommen weitere Mieter
ein Wohnrecht eingeräumt:
Streit, Neid, Eifersucht, Besitzdenken.
Zum Schluss kommt oft 
der widerlichste Untermieter dazu:
es ist der Egozentriker 
namens "ICH".

Und wenn es dem 
ehedem so geliebten "Du"
zu eng wird, 
wenn es nicht mehr 
genug Platz im Herzen findet
und auszieht, 
- wobei ihn meist das Glück begleitet -
dann fragen wir entsetzt:

"Wie konnte es nur so weit kommen?"


© drago 2012



2 Kommentare:

  1. die überschrift irritiert leicht wenn man das werk liest...:)

    aber das ist nebensache - weil es wirklich gut geschrieben ist!

    lg socke sylvia

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  2. Hallo Drago,

    mit der Liebe und den Untermietern ist das so eine Sache...
    ...die du wie den Nagel auf den Kopf getroffen hast.

    Leider wiederholt sich dieses WG-Szenario in jeder Liebe wieder, wenn man nicht rechtzeitig die Notbremse zieht.

    Viele Grüße von der
    Fee
    -----------------------------------------------
    http://literatur-begeisterte-fee.blogspot.de/

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