Seriously mad but quite normal: T Y P I S C H !

20. August 2013

T Y P I S C H !


Was ich heute berichte, geschah an einer Schule. Nicht etwa in einem wild verrufenen Viertel in einer Großstadt, sondern an einer kleinstädtischen Schule irgendwo in Deutschland.

Es waren wilde Zeiten, die 70er Jahre. Und an dieser Schule waren sie ziemlich wild, unvorstellbar wild. Die gemischte Klasse mit einer - damals durchaus "normalen" - Stärke von über 50 Schülern, und dabei nur eine von insgesamt 5 gleichstarken Klassen des Jahrgangs, war etwas, das man heute vermutlich als "No-Go-Area" titulieren würde. Die Mädels und Jungs dieses irren Haufens waren zum großen Teil ziemlich ausgeflippte Freaks. Sicher, es gab sie, die Streber und kreuzbraven Schleimer, aber sie wurden heftig unterdrückt, getriezt und - sie waren rar.  



Eine ebenso nette wie unscheinbare und gleichzeitig völlig überforderte Dame undefinierbaren Alters - aus Sicht der Jungs war sie "jenseits von Gut und Böse", und somit "unbrauchbar" - sollte ein unbedeutendes, uninteressantes Nebenfach unterrichten. Das Wort "uninteressant" gewinnt an zusätzlicher Bedeutung, wenn man weiß, dass für die Schüler schon der Besuch der Schule in etwa eine Prioritöt siebter Ordnung hatte, und somit ungefähr so wichtig war, wie "ein Friseurbesuch" (der übrigens total unwichtig war und an letzter Stelle einer imaginären Liste stand) oder "Zimmer aufräumen" (auf dem vorletzten Platz). Gleichzeitig war die gute Frau bereits mit der bloßen Aufgabenstellung des Unterrichtens im Wesentlichen an ihre Kapazitäts- und Kompetenzgrenze angelangt. Der wilde Haufen jener Klasse lag weit, unfassbar weit, jenseits dieser Grenzen. Und das sollte sie noch hautnah erleben.

Wieder einmal kam eines Tages unvermeidlich die Zeit, in der Unterricht in dieser allseits gefürchteten "Höhle des Löwen" anstand. Die Lehrkraft - nennen wir sie einfach "Frau H." - begab sich in die Klasse, in der eine gewisse "durchschnittliche" Ruhe herrschte. Heutige Menschen bezeichneten das wohl eher als einen "Mörder-Lärm". Sie grüßte und begann ihr hartes und aussichtsloses Geschäft. Auf der linken Seite vorn saßen die Streber(innen), die an ihren Plätzen versuchten, dieser Form des Lehrbetriebes zu folgen. Der Rest der Rasselbande ignorierte die gute Frau H. mehr oder weniger. Wegen des erheblichen Lärmpegels war die unverdrossen unterrichtende Lehrerin gezwungen, ihre Stimme mehr und mehr zu erheben. Schließlich war ihre strapazierte Stimme zu einem schrillen Diskant angeschwollen. In ihre lieben Mühe bemerkte sie gar nicht, dass jener Teil der Klasse, der sie - wie sie es ausdrückte - boykottierte, immer leiser und leiser geworden war. An einem der hinteren Tische wurde Karten gespielt. Und eben dort drehte sich einer der Schüler, die ihr bisher den Rücken zugewandt hatte, zu ihr um und bat: "Ach, Frau H., geht das auch ein bisschen leiser? Dieses Geschrei stört doch ziemlich. Danke!"

Frau H. war erst einmal konsterniert und sprachlos, dann fand sie ihre Fassung wieder, wurde wütend und  schließlich überschlug sich ihre Stimme in einer wüsten Suada auf diese "unbrauchbare Generation von Wilden", deren größter Teil allerdings im hysterischen Kreischen ihres Diskants unterging. Als sich dann der andere Kerl, der ihr ebenfalls den Rücken zugekehrt hatte, erdreistete, auch noch auf den Tisch zu schlagen und knurrend zu schnauben: "Ist jetzt hier vielleicht endlich mal Ruhe?! Das Gezeter tötet einem ja den letzten Nerv!" war das Maß für Frau H. voll.

Sie wurde erst bleich bis aschfahl, dann schließlich puter- bis krebsrot. Zuletzt schossen ihr die Tränen in die Augen. Dann warf sie das Stückchen Kreide, das sie in der Hand hielt, wutschnaubend in die Ecke, giftete ein "Solches Kroppzeug unterrichte ich doch nicht länger!" leise vor sich hin, und stolzierte unter dem Gelächter der Schüler erhobenen Hauptes aus dem Klassenzimmer. Ob sie das süffisante, ihr gut hörbar hinterher gerufene "Na also, - geht doch!" noch hörte, kann nur vermutet werden. Dem Vernehmen nach soll sich Frau H. beim Direktor der Schule "krank" gemeldet haben. Jedenfalls war von ihr über mehrere Wochen nichts zu hören und zu sehen. Wie es eben so ist - nicht wirklich belastbar, überfordert, krank! Lehrer eben!! 





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