Seriously mad but quite normal: IN MEMORIAM

18. September 2013

IN MEMORIAM


Die Welt,
und nicht nur die der Literatur,
ist heute ärmer geworden.


Über Jahrzehnte hinweg hat Marcel Reich-Ranicki als Literaturkritiker der "FAZ", der "ZEIT" und anderer, den Literaturbetrieb in entscheidender Weise beeinflusst und geprägt. Seine engagierten Buchbesprechungen in der berühmten Sendung "Das Literarische Quartett" werden wohl vielen Menschen in Erinnerung bleiben. Und wer von seiner bewegenden Rede vor dem Deutschen Bundestag nicht berührt wurde, hat weder Herz noch Hirn. 

Am 2. Juni 1920 in Włocławek (Polen) geboren und in Berlin aufgewachsen, wird Marcel Reich-Ranicki von den Nazis im Oktober 1938 mit vielen anderen polnischstämmigen Juden kurzerhand nach Polen abgeschoben. 1940 zwingt ihn das Terrorregime der Nationalsozialisten, ins Warschauer Ghetto zu ziehen, wo er sich vielfältig engagiert. Im Januar 1943 entzieht er sich mit seiner Frau der Deportation in die Vernichtungslager durch Flucht. Danach leben beide versteckt bei polnischen Helfern. Seine Eltern werden im Vernichtungslager Treblinka von den Nazis vergast, sein Bruder wird in der Nähe von Lublin erschossen. Nach dem Krieg arbeitet Reich-Ranicki in Polen und England, seit 1951 als freier Schriftsteller, obwohl gegen ihn auch ein Publikationsverbot verhängt wurde. Während einer Studienfahrt 1958 bleibt Reich-Ranicki kurzerhand in Frankfurt am Main. Er arbeitet als Literaturkritiker im Feuilleton der FAZ. Mitglieder der "Gruppe 47", Siegfried Lenz und Wolfgang Koeppen, lassen ihn ihre Bücher rezensieren. Von 1960 an schreibt er auch für die Wochenzeitung "Die Zeit". Bei der FAZ wird er 1973 Leiter der Literaturredaktion der. Mit einigen anderen Literaturfreunden initiiert er 1977 den Ingeborg-Bachmann-Preis, der rasch zu einem der bekanntesten und bedeutendsten Literaturwettbewerbe und -preise avanciert. Einem sehr großen Publikum wird Marcel Reich-Ranicki von 1988 bis bis Ende 2001 durch die Sendung "Das Literarische Quartett" im ZDF bekannt. Doch schon vorher nennt man ihn "Literaturpapst"; er ist längst der wohl einflussreichste deutschsprachige Literaturkritiker. Reich-Ranicki gibt viele Anthologien heraus; der Literatur gilt seine ganze Liebe und Begeisterung. Mit seiner Autobiographie "Mein Leben" gelingt ihm 2001 ein Bestseller. Es ist unmöglich, auf ein paar Zeilen das reiche Leben dieses Mannes zu beschreiben. Heute nachmittag ist Marcel Reich-Ranicki in Frankfurt am Main gestorben.


Quelle: unbekannt

Mit dem Tod von Marcel Reich-Ranicki verlieren wir ein lebendiges Stück deutscher und europäischer Geschichte. Er war ein interessanter, intelligenter, wortgewaltiger, humorvoller und liebenswerter Mensch, der sich niemals scheute, der Wahrheit ohne jeden Kompromiss auszusprechen und vehement zu verteidigen. Wir sollten uns immer neu seiner erinnern; er hat es verdient.

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