Seriously mad but quite normal: Zum Ort der Veranstaltung

19. Oktober 2013

Zum Ort der Veranstaltung


Wie bereits geschrieben, fand dieses Jahr in strenger Klausur das

5473. Internationale Drachensymposion

auf einer abgeschiedenen, weltvergessenen, einsam-stillen Insel statt.

Die wenigsten Menschen wissen, dass es auch in Deutschland zu früherer Zeit Drachen gab, welche die Inseln besiedelten, und in mehr oder weniger gütlicher Übereinkunft mit den Menschen lebten. Man mag das für ein Märchen aus längst vergangenen Zeiten halten, geeignet um Kinder zu erschrecken, und dennoch ist es wahr. Das zeigt sich bereits im Namen jener Insel, auf der das diesjährige Symposion abgehalten wurde. Sie ist abgelegen und daher ein wenig vergessen. Dort ist kaum Trubel, was unserer Klausur sehr zugute kam. Manche sagen, um für die Diskussion ein halbwegs vertretbares Argument zu haben, diese Insel sei nur halb so groß wie der Kölner Melatenfriedhof, dafür aber viermal so tot. Denen seien Inseln wie Sylt oder Mallorca anempfohlen, wo ja bekanntlich "der Bär steppt", was wohl ein Synonym für Leben sein soll, in Wahrheit aber kaum mehr als die Merkmale für Krawall und Radau erfüllt. Doch ich schweife ab. Unsere Insel ist bereits an ihrem Namen als (ehemalige?) Dracheninsel nur unschwer zu erkennen. Man nennt sie


P e l l w o r m.

Hier will ich nun kundtun, wie sie zu diesem seltsamen Namen kam, auch wenn sich unter den Menschen kaum noch einer der Namensherkunft erinnert. Ängste, wie sie sonst nur noch Wölfe oder Bären auszulösen in der Lage sind, haben dazu geführt, dass die Existenz von uns Drachen in weiten Teilen der Bevölkerung geleugnet und ins Reich der Mythen, Märchen und Sagen verortet wird.

Wie kam nun ⋙Pellworm⋘ zu seinem seltsamen Namen?

Dazu gibt es zwei verschiedene Deutungen, die aber eng miteinander zusammenhängen, quasi ineinander verwoben sind. Die eine besagt, dass dort ein Drache lebte, der durch ein eigenartiges "Bellen" auffiel. Man sprach von einem sogenannten "Hundsdrachen". Da man gemeinhin die Drachen als "Würmer" bezeichnete, nannte man diese Sorte "Bellwurm". Daraus machten der Dialekt und die Jahrhunderte nun schließlich "Pellworm". Anders als man meinen möchte, handelte es sich bei den Hundsdrachen oder Bellwürmern nicht um eine eigene Art, sondern lediglich um junge, unerfahrene Drachen, die erst lernen mussten, wie man richtig Feuer speit. Dabei kam es zu Verschluckern, Verpuffungen und Erstickern, wenn dem Drachen mal etwas "in die falsche Kehle" kam. Dann musste er husten und spucken, was sich von ferne durchaus wie ein Bellen anhören mochte. Und so entstand der Name, der letztlich vom Drachen auf die Insel überging.

Die zweite Version ist, wie bereits erwähnt, mit der vorgenannten auf das Engste verknüpft. Jedermann weiß, dass Drachen mit den Reptilien entfernt verwandt sind. Und während der Phase des Wachstums (das bei Drachen übrigens lebenslang anhält, wenn auch in sehr geringem Maße) müssen sich Drachen daher in gewissen Abständen häuten. Sie streifen die alte, zu eng gewordene Haut ab, um das darunterliegende neue Schuppenkleid ans Licht und zur Geltung zu bringen. Nun mögen die Menschen da und dort Reste solcher Häutungen vorgefunden haben (was auf ein junges und sehr unordentliches Exemplar unserer Gattung hinweist), so dass man landläufig davon sprach, dass sich der Wurm "pelle" (i.e. häute). Man nannte ihn deshalb einem "Pell-Wurm", also einem sich häutenden Drachen. Der Dialekt wiederum hat daraus nun das naheliegende "Pellworm" gebildet.

Wie zu ersehen ist, handelt es sich in beiden Fällen um die Erinnerung an einen dort residierenden, jungen und unerfahrenen Drachen, welche zum heute noch genutzten Namen gerann. Und an diesem alten und erinnerungsträchtigen Orte haben wir uns in stiller und geheimer Klausur versammelt. Nicht um alte Geschichten zu erzählen und in vom Gedächtnis golden verwaschenen Erinnerungen an die "gute, alte Zeit" zu schwelgen, sondern vielmehr, um uns auszutauschen über den neuesten Stand der aktuellen Forschung, welche wir Drachen weltweit betreiben. Das umfasst durchaus auch die arkanen Wissenschaften, weshalb wir im Geheimen tagen. Die strenge Klausur verhindert ein unbeabsichtigtes Weitertragen von Dingen, die Menschen unter Umständen Schaden zufügen würden, weil sie nicht genau wissen und abschätzen können, womit sie es zu tun haben. Und es ist kein Geheimnis, dass manche unserer Art "Klatschtanten" und "Prahlhänse" sind, die nicht immer bedenken, was sie zu wem sagen. Doch im Nachhinein kann man über den Ort wohl reden. Und über das, was ich auf dem Symposion erfahren und gelernt habe, will ich durchaus (in menschentauglicher Form) berichten und erzählen. Doch ein ander Mal und an einem anderen Tag.



© drago 2013 

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